„Hilfe, ich bin Rep Link! Was tun?“

Jeder Kreis in Holakratie hat ja bekanntermaßen eine Rep Link Rolle. Hier noch mal ein Auszug aus unserem Hypoport Holakratie Glossar:

„Der Rep Link ist eine der gewählten Standardrollen jedes Kreises (mit Ausnahme des Anker-Kreises, der selber keinen Super-Kreis besitzt). Er ist Teil der Doppelverbindung zwischen zwei Schichten der Organisation und darf wie sein Pendant, der Lead Link, an den verfassungsmäßig vorgeschriebenen Meetings beider Kreise teilnehmen. Er dient als Kanal für Spannungen des Sub-Kreises in den Super-Kreis. Alle Themen, die nicht innerhalb des Sub-Kreises gelöst werden können, werden durch den Rep Link als Spannungen nach oben eskaliert. Lead Link und Rep Link eines Kreises dürfen nicht durch denselben Rollenfüller besetzt sein, weshalb der Lead Link des Kreises für diese Rolle jeweils nicht zur Wahl steht.“

Soviel zur Definition und Beschreibung aus der Sicht von außen. Doch wie macht man diese Rolle von innen her lebendig, wenn man die Ehre hat, von seinen Kollegen per Wahl hinein komplimentiert worden zu sein, wie die Jungfrau zum Kinde? Frei nach dem Motto: „Danke für die Blumen, aber ich habe keinen Schimmer, wie ich diese Rolle ausfüllen soll.“

Aus diesem Grund habe ich hier für euch ein paar Punkte zur Klärung der Arbeit der Rolle, sowie ein paar Tipps und Tricks zusammengefasst.

„Oje, noch mehr Meetings!“

Zunächst möchte ich aber ein Missverständnis in Form einer häufig geäußerten Befürchtung aus der Welt schaffen: Nein, ein Rep Link muss nicht in JEDEM Meeting seines Super-Kreises teilnehmen. Er darf, doch er muss nicht. In der Regel nimmt ein Rep Link nur dann teil, wenn er eine konkrete Spannung mit im Gepäck hat, für die ein Kollege darum gebeten hat, sie in diesem Kontext zu lösen. Das kommt erfahrungsgemäß eher selten vor.

Retter-Syndrom vermeiden

Missverständnis Nummer 2 ist damit eigentlich indirekt auch schon adressiert: „Muss ich als Rep Link herumlaufen und pro-aktiv Spannungen meiner Kollegen einsammeln?“ Nein, du musst niemanden „retten“ (wie immer in Holakratie), sondern du kannst abwarten, bis die Kollegen selber ihre Spannung an dich herantragen. Aber es ist natürlich nicht verboten, deine Kollegen von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass sie dich als Kanal nach außen nutzen dürfen, wenn sie ihre Spannung offensichtlich nicht innerhalb des Kreises lösen können. Dann hilf ihnen auf die Sprünge und gib dich als Rep Link zu erkennen.

Hashtag: #withfilter

Missverständnis Nummer 3 betrifft den Umfang der Spannungen, die du für deine Kollegen im Superkreis (oder anderswo in der Organisation) prozessieren musst. Deine Accountability ist es, zu versuchen, die Spannungen deiner Kollegen im Kreis zu verstehen, die sie zur Prozessierung an dich herantragen. Du kannst natürlich nur diejenigen Spannungen sinnvoll prozessieren, die du auch verstehst. Das ist schon mal der erste Filter. Spannungen, die dir prinzipiell unverständlich sind, musst du nicht weitertragen. Damit erweist du auch dem Super-Kreis einen Dienst.

„Was war jetzt noch mal genau das Problem?“

Denke hierbei auch an die Kriterien, die für die Testung von Vorschlägen nützlich sind: Die Spannung muss aus einer Rolle des Kreises kommen und darf nicht bloß persönlicher Herkunft sein. Dein Kollege sollte in der Lage sein, dir seine Spannung anhand eines oder mehrerer konkreter Beispiele zu erklären (sonst ist es eine reine Kopfgeburt). Falls ein Vorschlag mitgeliefert wird, muss dieser (irgendwie logisch nachvollziehbar) die Spannung lösen. Ist dir irgendeiner dieser Aspekte unklar, beharre darauf, dass der Kollege sie dir genau erklärt, bevor du die metaphorischen Pferde im Super-Kreis mit einer halbgaren Spannung scheu machst.

Pro-Tipp: Schreib’s dir auf!

Was für deine eigenen Spannungen gute Praxis ist, gilt umso mehr, wenn du den verantwortungsvollen Job innehast, die Spannungen anderer Leute zu transportieren und zu lösen. Nimm dir Zeit, vereinbare ein Gespräch mit dem Kollegen, spitze deine Ohren und deinen Bleistift und mache dir detaillierte Notizen über die Spannung und ggf. den Vorschlag. Die Halbwertszeit eines durchschnittlichen Gedächtnisses ist nämlich ziemlich mies und der nächste Meeting-Termin des Super-Kreises wahrscheinlich noch eine Weile hin.

Wer schuld ist, wenn der Kollege nicht bekommt, was er eigentlich wollte

Diese Diskussion kann man sich schenken. Dein Job ist lediglich die Spannung zu lösen – nach deinem besten Verständnis der Spannung. Es ist nicht dein Job dafür zu sorgen, dass der Kollege, der dich beauftragt hat, genau das bekommt, was er als Lösung der Spannung vorgeschlagen hat. Stell dir vor, deine Spannung ist, dass du hungrig bist und dein Lösungsvorschlag lautet „Currywurst“. Deine Freundin ist dran mit Einkaufen, doch bei ihrer Rückkehr hat sie eine Pizza im Gepäck. Mit anderen Worten: der Rep Link wird deinen Hunger bekämpfen (die Spannung), aber er bringt dir vielleicht nicht genau dein Leibgericht (deine bevorzugte Lösung). Das ist in Ordnung.

Die Spannung ist ok, aber ich kenne mich mit der Materie echt nicht aus…

Manchmal gibt es den Fall, dass die Spannung, die an dich herangetragen wird, total gültig und wert ist, prozessiert zu werden – aber du weißt schon im Vorfeld, dass du dich in der Fachmaterie einfach nicht so auskennst wie der Kollege. Daher wärest du auf alle Fälle unsicher, wenn es z.B. bei Governance-Meetings um die Integration von Einwänden geht. Du bist einfach nicht der echte Sensor für die Spannung und du weißt es schon vorher. Was tun? Für diese Fälle erlaubt die Holakratie Verfassung, dass du als Rep Link den Kollegen mit in das Meeting des Super-Kreises einlädst, wo er dann für die Dauer der Prozessierung seiner spezifischen Spannung zum Kreismitglied mit allen zugehörigen Rechten aufgewertet wird und selber für sein Anliegen sprechen darf (siehe Verfassung 3.3.1). Gut zu wissen…

Sicherheitsnetz Neuwahl

Als gewählter Rep Link wurde dir vom Kreis das Vertrauen ausgesprochen, dass du das Kind schon schaukeln wirst. Also stresse dich nicht. Wenn ein Kollege unzufrieden ist mit deiner Performance in der Rep Link Rolle, dann kann er bekanntlich jederzeit eine Neuwahl anstoßen (oder du). Das kannst du ihm auch so sagen, falls er meckert. Auch bei der Wahl eines neuen Rep Links sollten sich die Kreismitglieder keinen unnötigen Druck machen. Gesucht wird nicht „die beste Person“ für die Rolle (wer auch immer das beurteilen mag), sondern lediglich eine Person, von der die Kreismitglieder ausgehen, dass sie „keinen Schaden“ verursacht. Dafür gibt es ja die Einwandrunde im holakratischen Wahlprozess. Die Latte liegt also deutlich niedriger für diesen „Klassensprecher des Kreises“. Lasst die Rolle also ruhig wandern, so dass auch andere Kollegen mal in den Genuss kommen.

„Was war jetzt noch mal mein Purpose als Rep Link?“

Wenn du dir deine Rollenbeschreibung durchliest, dann steht da der folgende, leicht verschwurbelte Satz „Im Super-Kreis hat der Rep Link den Purpose des Unter-Kreises; im Sub-Kreis lautet der Purpose des Rep Link: Kanalisieren und Lösen von Spannungen hinsichtlich des Prozesses im Super-Kreis.“ Das stimmt zwar alles, ist aber nicht sehr eingängig. Merke dir einfach, dass du deinen Kreis als Ganzes im Super-Kreis gleichwertig mit dem Lead Link vertreten darfst (ihr wirkt im Superkreis zusammen wie eine multi-gefüllte Rolle), und dass du Spannungen aus deinem eigenen Kreis aufnimmst und nach außen kanalisierst.

„Da steht, dass ich was aus meinem Kreis berichten soll…“

Stimmt, da steht was mit „Metriken“ und „Checklistenpunkten“ in der Rollendefinition (3. Accountability des Rep Links). In der Praxis nehmen das allerdings die wenigsten holakratischen Organisationen ernst, weil zumeist ohnehin nur der Lead Link in den Meetings des Super-Kreises zugegen ist und der Rep Link nur dann dazu kommt, wenn er eine Spannung im Gepäck hat. Den Bericht übernimmt dann ohnehin der Lead Link. Diese 3. Accountability ist so ein bisschen der „Blinddarm“ in der Verfassung 4.1, der in der Version 5.0 wahrscheinlich herausgenommen wird. Es schien mal eine gute Idee zu sein, um ein Korrektiv zu haben, falls der Lead Link mal ein falsches Bild seines Kreises zeichnen sollte. Aber meist wird es nicht gelebt und niemand vermisst es wirklich. Das ist also ok.

Und was ist mir dir?

Das wär’s fürs Erste. Zu guter Letzt: vergiss nicht dich selber zu fragen, ob du eine Spannung für den Super-Kreis hast. Du darfst die Dienste deiner eigenen Rolle in Anspruch nehmen. Manchmal vergisst man sich selber, wenn man den Kollegen dient. (Diesen blinden Fleck der Aufmerksamkeit hat manchmal auch ein Facilitator, der so mit seiner Facilitator-Rolle beschäftigt ist, dass er übersieht, dass er aus einer seiner anderen Rollen einen inhaltlichen Einwand bringen sollte.)

Fazit:

Die Rep Link Rolle ist eine Besonderheit der Holakratie und hilft dabei den Powershift der Organisation zu unterstützen. Endlich gibt es einen klaren Kanal für Spannungen, die von unten nach oben, also „bottom-up“ wirken. Indem du deine Rep Link Rolle ausfüllst, sorgst du dafür, dass der Kreislauf der Spannungsprozessierung zwischen den verschiedenen Ebenen der Organisation geschlossen wird. Normalerweise fällt nicht viel operative Arbeit in dieser Rolle an, doch wenn es etwas gibt, dann ist es vermutlich wichtig und verdient deine volle Aufmerksamkeit. Viel Erfolg als Rep Link!


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