App: “OMG Kreis” – Organisation, Mensch & Gemeinschaft

Holacracy Apps sind vorgefertigte Governance Vorschläge, die darauf ausgelegt sind, in holakratischen Organisationen zu laufen. Apps erlauben Organisationen Governance Vorschläge zu destillieren, um geläufige organisatorische Probleme zu adressieren, wie etwa Talent Management (z.B. Anstellung, Entlassung, Entlohnung), Tagesgeschäft (z.B. Strategie-Planung, Lieferketten-Logistik, Ressourcenverteilung), und Organisations-Design (z.B. neue regionale Divisionen, Mergers & Acquisitions, Expansion). Bitte beachte, dass Holacracy Apps nur Anregungen für Governance Vorschläge darstellen und dass sie vor oder während Governance Meetings entsprechend der Bedürfnisse der Nutzer angepasst werden dürfen.”

— Holacracy Community of Practice

Die folgende Governance App wurde geschaffen, um eine allgemeine Spannung zu adressieren, die bei der Arbeit in einer holakratischen Organisation auftritt. Sie wurde durch den hola::be Kreis im Kontext von Hypoport, einem deutschen Fintech Unternehmensnetzwerk, entwickelt.

Das Problem

Indem zwischen Rolle und Mensch (“role & soul”) differenziert wird und in Kreisen und Rollen ein klarer Ort für die Arbeit angegeben wird, wirft die Praxis der Holakratie zwangsläufig die Frage auf, was man mit Menschen- und Gemeinschafts-Themen tun soll. Wo können derartige Spannungen adressiert werden? Es liegt auf der Hand, dass wir die Arbeit ohne Menschen, die die Rollen der Organisation mit Leben füllen, nicht erledigt bekommen. Und wo zwei oder mehr von ihnen (uns) zusammenkommen, entstehen zwischenmenschliche Fragen wie kulturelle Erwartungen, Normen und Wert, sowie das Management der Beziehung zwischen dem Individuuum und der Organisation, die bewusst behandelt werden sollten. Wo finden diese Arten von Spannungen ein kohärentes Zuhause, so dass sie auf gesunde Weise gelöst werden können?

Das deutsche Arbeitsrecht definiert Fürsorgepflichten für disziplinarische Führungskräfte, die ebenfalls ein Zuhause in einer holakratischen Organisation brauchen. Indem wir “disziplinarische Führung” zu einer Domäne des OMG-Kreises machen, wird es einfacher, die Arbeit der Lead Links von der Arbeit, die aus der Rolle “disziplinarische Führungskraft” getan wird, zu trennen. Diese Funktionen, die vormals in der Person des Managers verschmolzen waren, können nun unter Holakratie ausdifferenziert und an verschiedene Personen verteilt werden. Dies unterstützt eine Dezentralisierung der Macht und ist gleichzeitig in Einklang mit dem deutschen Arbeitsrecht.

Der OMG Kreis liegt neben dem GCC im Anker
Der OMG Kreis liegt neben dem GCC im Anker

Die App baut auf auf ähnlichen Lösungen von HolacracyOne (“People & Partnership Circle”) und encode.org (mit ihrer Differenzierung zwischen den Containern der “Organization” und “Association”). Sie schlägt vor, einen Kreis parallel zum General Company Circle (GCC) zu schaffen, der die Bedürfnisse von Organisation, Mensch und Gemeinschaft miteinander vermitteln soll – den OMG-Kreis.

Der Vorteil, den wir darin sehen, ist, dass das OMG-Kreis Konstrukt alle Arbeit beherbergen kann, die nicht direkt auf den Kern der Wertschöpfung der Organisation und ihres Purpose ausgerichtet ist. Diese leben im GCC. Stattdessen wird der OMG-Kreis die Heimat der Art von Arbeit, die die nötigen Voraussetzungen und den haltenden Kontext für die Menschen herstellt, der es ihnen überhaupt erst ermöglicht, sinnvoll als Rollenfüller im Dienste der Organisation in Erscheinung zu treten. Der OMG Kreis ist eine Art Schnittstelle, die die Arbeit innerhalb einer Holarchie organisationaler Zwecke (Purpose) zu einer menschenfreundliche(re)n Erfahrung macht.

 

Notizen und Anmerkungen zur App

Spannung: Der OMG Kreis schließt die Lücke einer rein auf ihr Kerngeschäft ausgerichteten Organisation, bei der es keinen klar definierten Platz für die Bedarfe der Menschen in der Organisation und ihrer Gemeinschaft gibt. Ein fehlender Platz für die Bedarfe von Menschen und Gemeinschaft kann die Organisationskultur stark negativ verändern. Die beiden Räume “Individuum” (Mensch) und “Gemeinschaft” fehlen in einer reinen holakratischen Arbeitsorganisation, die sich um den Raum “Organisation” dreht. Es ist ein wiederkehrendes Muster (Pattern) in reifen holakratischen Organisationen, die auf das Kerngeschäft der Wertschöpfung abzielende Arbeitsorganisation im General Company Circle (GCC) und seinen Sub-Kreisen zu halten und alle unterstützenden, Nicht-Kernfunktionen klar davon separiert in einem eigenen Kreis abzuspalten.

Um die Spannung zu adressieren wird folgende Richtlinie im Anker-Kreis der Organisation hinterlegt:


Richtlinie:

Kreis: Organisation, Mensch und Gemeinschaft (OMG)

Die Organisation trennt die Kernfunktionen ihrer Wertschöpfung und ihre Nicht-Kernfunktionstätigkeiten auf, um diese Bedarfe in ein konstruktives Spannungsfeld mit der jeweils notwendigen Aufmerksamkeit zu bringen. Die Kerntätigkeiten der Wertschöpfung liegen in einem speziellen “General Company Circle” (GCC), der den Purpose der Organisation hält. Alle Nicht-Kernfunktionstätigkeiten insbesondere die Verantwortung, einen Pool von Mitarbeitern aufzubauen und aufrechtzuerhalten, um die Rollen der Organisation zu füllen und ihre Governance zu führen, liegt in einem speziellen “Organisation, Mensch und Gemeinschaft” (OMG) Kreis. Der OMG-Kreis kontrolliert (mittels einer Domäne) die Beziehung der Organisation zu jedem ihrer Mitarbeiter. Die Organisation darf Beziehungen hinzufügen, beenden, regulieren oder redefinieren, wie sie es als nötig erachtet, innerhalb der folgenden Einschränkungen.

Der OMG-Kreis muss im Ankerkreis neben dem GCC liegen und den Gesamt-Purpose der Organisation unterstützen. Die Definition des OMG Kreises ist:


Purpose
Gut vermittelte Bedürfnisse zwischen Organisation, Mensch und Gemeinschaft

Domäne

  • Arbeitsverträge
  • Arbeitsvereinbarungen
  • disziplinarische Führung
  • globale Richtlinien

Accountabilities

  • Eine begeisternde Arbeitsumgebung mit den passenden Arbeitsmitteln und Arbeitsumfeld schaffen
  • den Bedarf an qualifizierten Mitarbeitern in der Organisation decken (z.B. durch Recruiting und Entwicklung)
  • Im Sinne der gesetzlichen Vorgaben für die Mitarbeiter sorgen (u.a. Fürsorgepflicht wahrnehmen)
  • Eine Möglichkeit für Mitarbeiter bereitstellen, damit sie ihre individuellen und kollektiven Spannungen selbst oder durch gewählte Vertreter im OMG-Kreis prozessieren können
  • Arbeitsverträge und Gehalt für die Mitarbeiter gestalten, festlegen und anpassen
  • Gemeinschaft der Mitarbeiter pflegen und bei Spannungen im individuellen oder kollektiven Raum Unterstützung bieten
  • Rahmen für die Dokumentation von Arbeitsvereinbarungen bereitstellen

Arbeitsverträge

Der Vertrag zwischen einem Mitarbeiter und der Organisation umfasst typischerweise gemeinsame Vereinbarungen, die jede Partei dazu verleiten in die Beziehung einzutreten und zu verbleiben. Das umfasst Vereinbarungen bezüglich der Bezahlung, erwartete Reisezeiten, oder Zeit, die ein Mitarbeiter auf die Organisation verwendet (alles in allem der “Arbeitsvertrag”).

Sowohl der Mitarbeiter oder die Organisation dürfen ihren Arbeitsvertrag modifizieren, doch nur indem sie der anderen Partei einen Vorschlag machen. Der Empfänger kann dann entweder den Vorschlag annehmen oder ablehnen. Wenn die Organisation ablehnt, dann muss die Ablehnung rückgebunden werden können an Purpose oder Accountabilities. Der OMG Kreis darf Rollen oder Prozesse definieren, um diese Vorschläge seitens der Organisation zu initiieren oder zu prozessieren.

Unternehmensweite Geltung von Richtlinien des OMG-Kreises

Der OMG-Kreis ist durch den Anker-Kreis autorisiert, Richtlinien zu erlassen, die unternehmensweite Gültigkeit besitzen. Er darf also sowohl das GCC und seine Sub-Kreise als auch den OMG-Kreis und seine Sub-Kreise reglementieren. Diese globale Autorisierung macht eine Duplizierung der im OMG-Kreis erlassenen Richtlinien im Anker-Kreis überflüssig. Damit eine Richtlinie des OMG-Kreises unternehmensweite Gültigkeit besitzt, muss diese der Domäne “globale Richtlinien” zugeordnet sein. Dieses Recht kann an Sub-Kreise des OMG-Kreises weitergegeben werden, indem an für einen Sub-Kreis explizit die Domäne “globale Richtlinien” definiert ist. Entsprechenden Sub-Kreise können dann analog zum OMG-Kreis globale Richtlinien definieren.

Arbeitsvereinbarungen
Von Zeit zu Zeit möchten die Mitarbeiter der Organisation vielleicht gewisse Vereinbarungen darüber treffen, wie die Mitarbeiter miteinander interagieren oder ihre allgemeinen Funktionen als Mitarbeiter oder Kreismitglieder erfüllen (Richtlinien eignen sich für solche Vereinbarungen nicht, weil es in Richtlinien explizit untersagt ist, Verhalten zu erzwingen). Diese “Arbeitsvereinbarungen” sind dazu gedacht, die kulturelle Umgebung und das Verhalten der Mitarbeiter zu gestalten, welche der rollenbasierten Arbeit zugrunde liegen. Sie dürfen nur Erwartungen jenseits des Geltungsbereiches dessen setzen, was das Hinzufügen einer Accountability zu einer spezifischen Rolle erreichen kann. Dies betrifft die Definition von Normen, die für viele Rollen oder unabhängig von Rollen relevant sind. Ebenfalls darunter fallen Regelungen, wann und wie ein Mitarbeiter Zeit und Energie für eine Rolle zuteilt. Arbeitsvereinbarungen müssen sich auf konkrete Handlungen oder auf Verhaltenseinschränkungen beziehen. Sie dürfen keine Versprechen beinhalten, spezifische Ergebnisse zu erzielen.

Jeder Mitarbeiter darf eine Arbeitsvereinbarung von einem anderen Mitarbeiter anfordern. Die Bitte wird nur dann zu einer legitimen Erwartung, wenn der andere Mitarbeiter die Vereinbarung akzeptiert. Eine weitere Bedingung ist, dass eine relevante Partei die Vereinbarung an einem Ort veröffentlicht hat, der für alle potentiell Betroffenen zugänglich ist. Ein Mitarbeiter kann eine getroffene Arbeitsvereinbarung jederzeit beenden. Hierfür muss er alle betroffenen Parteien benachrichtigen und die Vereinbarungen aus den publizierten Aufzeichnungen streichen (oder eine angemessene Rolle darum bitten, dies zu tun). Der Beendigung muss nur dann durch die andere Partei (oder Betroffenen) zugestimmt werden, wenn die Vereinbarung Teil des Arbeitsvertrages ist.

Der OMG Kreis kann sich entschließen, eine Akzeptanz der Arbeitsvereinbarungen als eine Bedingung für die Mitarbeit in der Organisation in Form einer Richtlinie vorauszusetzen und sie somit zu einem Teil des Arbeitsvertrages mit allen Mitarbeitern zu machen. Die Annahme einer solchen Richtlinie überträgt diese Vereinbarung weder automatisch auf bestehende Mitarbeiter, noch kündigt sie automatisch einen bestehenden Mitarbeiter, der sie nicht akzeptiert. Selbst wenn eine Arbeitsvereinbarung für neue Mitarbeiter vorausgesetzt wird, muss jeder bestehende Mitarbeiter der neuen Vereinbarung immer noch explizit zustimmen, bevor irgendjemand ein legitimes Recht hat, sie von diesem Mitarbeiter zu erwarten.



Inspirations:

HolacracyOne’s People & Partnership Circle, Brian Robertson’s “Partnership Circle & related rules”encode.org’s For-Purpose Enterprise construct (Organization, Association, Company)

Datum
Ver.
Autor(en) & Änderungsgrund
20.08.2018 1.0
06.09.2018 1.1 Wittrock, Dennis, Reineke, Klaas, Maennicke, Andre
14.12.2018 2.0

Reineke, Klaas

  • Behoben: Trennung der Verantwortung von Kernfunktion in GCC und Nicht-Kernfunktionen in den OMG-Kreis ist in Definition der Richtlinie nicht deutlich zu erkennen.
  • Behoben: Fehlende Möglichkeit für Mitarbeiter eigene Spannungen direkt im OMG zu prozessieren.
  • Klarstellung, dass unternehmensweite Richtlinien explizit erkennbar sein müssen.
  • Behoben: Keine unternehmensweiten Domänen, weil hier fehlende Klarheit für die Funktion “Meine Befugnisse” von HolaSpirit herrscht und die vorherige Regelung bei der Implementierung zu einem Konsistenzproblem mit “normalen” Domänen geführt hat.

 


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